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Restauration der Stiftsamtei Bischofszell

Die Stiftsamtei Bischofszell erstrahlt nach 16-monatiger Restauration in frischem Glanz. Möglich gemacht haben das vor allem auch die beteiligten Handwerker, die nicht nur das Wissen des alten Handwerks mit sich brachten, sondern auch das Verständnis, die Gabe und die Geduld, sich in das Gebäude hineinzudenken.

Wenn man die vorhandenen Quellen nach dem Ursprung der Stiftsamtei durchforscht, stellt man fest, dass vieles im spekulativen Bereich liegt. Was wir jedoch wissen ist, dass die Stiftsamtei beim Stadtbrand von 1743 verschont geblieben ist. Das Altstadthaus gehört somit zum ältesten Gebäudebestand von Bischofszell.

Ursprünglich Teil des Chorherren Stifts

Dem Standort nach zu schliessen, gehört die Stiftsamtei zum sogenannten Chorherren Stift – einer Gruppe von Häusern in unmittelbarer Nähe zur Stadtkirche St. Pelagius, die den Chorherren als Wohn- und Lebensraum zugewiesen waren. Dem Namen nach war die «Neue Stiftsamtei» Sitz der Stiftsverwaltung beziehungsweise des Stiftammans, dies allerdings erst ab 1750.

Während des 19. Jahrhunderts diente die Liegenschaft als Wohnhaus. 1912 schliesslich kam die Stiftsamtei unter nicht geklärten Umständen in den Besitz der Katholischen Kirchgemeinde Bischofszell. Die Kirchgemeinde baute das Haus um und vermietete es an Privatpersonen. 1957 baute die Kirchgemeinde das Gebäude erneut um und machte es für die Bedürfnisse der Pfarrei nutzbar.

Aus dem Riegelhaus wurde ein Steinhaus

Beim Umbau von 1957 erfuhr das Gebäude aus der heutigen Sicht betrachtet erhebliche Veränderungen. So verschwanden wichtige Zeitzeugen aus der Stiftsamtei. Aus dem stattlichen Riegelhaus wurde ein Steinhaus, indem es von aussen ummauert wurde. Die Fassade erhielt eine neue Gliederung, in der Sprache eines stattlichen barocken Gebäudes. Die Räumlichkeiten in den beiden unteren Stockwerken wurden von kirchlichen Vereinen und Gruppierungen intensiv genutzt, sodass um 1990 eine Renovation notwendig wurde. Von nun an nutzen Jungwacht und Blauring die beiden obersten Stockwerke für ihre Zwecke, die verwinkelte Grundstruktur blieb aber erhalten.

Der Weg zum neuen Kirchenzentrum

Im Jahr 2020 genehmigte die Kirchgemeindeversammlung einen Baukredit von 3,2 Millionen Franken mit dem Ziel der Schaffung eines modernen, zukunftsgerichteten Kirchenzentrums. Alle Nutzungen, die administrativen und seelsorgerischen, sollten in der sanierten Stiftsamtei Platz finden. Dazu sollten Begegnungs- und Gemeinschafträume für alle kirchlichem Gruppierungen und Vereine entstehen. Es sollte auch die öffentliche Nutzung gewisser Räumlichkeiten wieder ermöglicht werden. Von Anfang an war klar, dass die Sanierung nach den Nachhaltigkeitsprinzipien des kirchlichen Umweltlabels «Grüner Güggel» erfolgen soll. So wurde mit nachhaltigen, einheimischen und echten Materialien gearbeitet. Zudem galt es, den aktuellen Anforderungen bezüglich Rollstuhlgängigkeit, Brandschutz, Energiehaushalt und dem historischen Konsens Rechnung zu tragen.

Enge Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege

Die vorhandene Bausubstanz wurde mit grösster Sorgfalt auf die Tragkonstruktion zurückgebaut, und alle erhaltenswerten Bauteile wurden ausgebaut. Dabei wurde die Spätrenaissance-Architektur freigelegt. Das Amt für Archäologie konnte mit der Holzaltersbestimmung das Gebäude auf das Jahr 1675 datieren. Es galt nun abzuwägen, ob Bereiche des Gebäudes auf den Urbestand zurückgeführt werden oder ob der klassizistische Einbau aus 1910 restauriert wird. In Zusammenarbeit mit der kantonalen Denkmalpflege wurde Letzteres entschieden. Teile des ursprünglichen Erscheinungsbildes werden im Gebäude mit Zeitfenstern gezeigt. Es galt vor allem, dem Gebäude den Charakter wieder zu geben, damit die Geschichte ablesbar ist.

16-monatige Bauzeit erfolgreich abgeschlossen

Ein grosses Lob gilt den beteiligten Handwerkern auszusprechen. Es braucht nicht nur das Wissen des alten Handwerks, sondern auch das Verständnis, die Gabe und die Geduld, sich in das Gebäude hineinzudenken. Dies prägte den interessanten Baualltag mit täglichen Lösungsfindungen von zahlreichen Details und Problemen. Nach 16 Monaten Bauzeit durfte die Stiftamtei der Bauherrschaft übergeben werden. Wer mit einem wachsamen Auge durchs Gebäude geht, entdeckt auch die Kunst am Bau, die mit regionalen Künstlern gestaltet wurde.

zum Autor: Christoph Biedermann ist Inhaber der Müller Architekturbüro GmbH, Bischofszell.

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