Gesellschaft & Umwelt
von Urs Tiefenauer
Nicht duftend, nicht blühend und möglichst pflegeleicht – so präsentieren sich heute viele «Null-Arbeit-Gärten», wie sie Viktor Gschwend, Präsident JardinSuisse Thurgau, nennt. Es gebe allerdings wieder vermehrt Leute, die sich den Traum vom «romantischen Garten» erfüllen würden.
Viele Hobbygärtnerinnen und -gärtner träumen von einem persönlichen Garten-Paradies, von fein in Farben, Formen und Düften aufeinander abgestimmten Pflanzen, von versteckten Sitzplätzen und idyllischen Nischen. Hinter diesem Traum versteckt sich oftmals der «romantische Garten», ein verwunschener Ort, der auf Leichtigkeit, Verspieltheit und Entdeckerfreude ausgelegt ist, der die Hektik des Alltags vergessen lässt. Der romantische Garten geht zurück auf das 18. Jahrhundert. Damals besann man sich auf die Natur zurück – die englischen Landschaftsgärten erlebten ihre Blütezeit. Nach der Barockzeit mit ihren strengen Formen in der Gartengestaltung entstanden Gärten mit mehr natürlichen Formen: verspielt, etwas verwildert und angereichert mit lieblichen Details. Was damals entstand, hat bis in die heutige Zeit überdauert.
Platz für Experimente
Es ist nur wenig Platz im Garten, was soll ich da pflanzen? Blumen, Stauden, Obst oder Gemüse? – Warum oder? Es geht in einem romantischen Garten nach Viktor Gschwend auch miteinander. Besondere Beachtung gilt allerdings dem Boden, dem entsprechenden Standort sowie den speziellen Ansprüchen der Pflanzen. Dann finden zusätzlich sogar noch einige schöne Bäume Platz. Ein wichtiger Schritt, wenn man zudem seinen Garten möglichst vogelfreundlich einrichten will. Abgesehen davon: Auch der romantische Garten braucht Bäume und schöne Gehölze.
Weil die meisten Gärten heutzutage klein sind, muss man sich für den Anbau von Obst und Gemüse schon etwas einfallen lassen, beispielsweise Gemüse in Hochbeeten anzubauen. Es müssen ja keine Karotten, Kohl oder gar Mangold sein, dies lohnt sich nicht. Aber zwei, drei Tomaten-, Gurken-, Auberginen oder Zucchini-Pflanzen funktionieren prima in grossen Kübeln und tragen erst noch reiche Ernte. Gemäss Viktor Gschwend sollte sich jedoch ein Gartenbesitzer eines romantischen Gartens merken: Ein solcher Garten benötigt Arbeit und Hingabe der Besitzerin oder des Besitzers. Zudem wird ein gewisses Gartenwissen vorausgesetzt. Eben dieses Wissen gehe leider in tragischem Eilzugstempo verloren. Gschwend sieht darin auch ein gesellschaftspolitisches Problem: Keine Zeit, keine Lust, keine Ausdauer und (zu) wenig Bock ganz allgemein auf Natur. Ob Blütenstauden, Gräser oder Gehölze einheimisch seien, verkomme da eher zu einer sekundären Frage, auch wenn nicht alles Ausländische verteufelt werden sollte.
Verspielte Vielfalt
Neben der Bepflanzung ein anderes Merkmal eines romantischen Gartens sind natürliche, geschwungene Wege, Sitzplätze und Beete statt streng geometrischer Rabatten und kerzengerader gepflasterter Wege. Mit der Zeit, mit Ruhe und handwerklichem Geschick lassen sich für den Traum eines romantischen Gartens auch bestehende Gartenwege entschärfen, Kurven einbauen oder gar komplett neu anlegen. Viereckige Betonplatten müssen ja nicht für ewig bleiben. Beete und Wege werden nur locker eingefasst und gehen oft nahtlos ineinander über. Wege im Patchwork-Stil schaffen neuen Freiraum für Polsterstauden, Gräser und Moose, während unterschiedliche Wegbeläge wie Kies, Mulch und Natursteinpflaster mit Sand- oder Rasenfugen das sinnliche Erleben des Gartens zusätzlich fördern.
Die Dekoration trägt entscheidend zur romantischen Gesamtwirkung bei. So können beispielsweise Amphoren oder Vasen wie Kunstobjekte elegant im Blumenbeet in Szene gesetzt werden. Selbst groteske Wurzeln oder Steine integrieren sich wunderbar. Ein wertvoller Tipp vom Fachmann: Neuwertige Steine können mit etwas Buttermilch oder Joghurt eingepinselt werden. An feuchten und schattigen Orten werden Moos und Flechten so nicht lange auf sich warten lassen und verstärken den Zauber des Gartens zusätzlich.
Rose als Königin
Die Herrscherin in romantischen Gärten ist die Rose. Sowohl die historischen und englischen Rosen mit ihren gefüllten, «altmodischen» Blütenformen, ihrem oft intensiven Duft und ihren ungewöhnlichen gedeckten Farbtönen, als auch die Kletter-, Rambler- und Strauchrosen sind hier zu Hause.
Farben sind im verwunschenen Garten ein wichtiges Gestaltungselement. Sie sind niemals grell, vielmehr vermitteln zarte Pastelltöne und ein tiefes Blau ganz viel Ruhe und Harmonie. Hortensien in strahlendem Weiss, in Rosa, Violett und Blau betören mit ihrem Charme. Zierlauch, Glyzinen, weisse und violett-blaue Glockenblumen, leuchtend blauer Rittersporn, Salbei, Fingerhut, Leinkraut, Hornveilchen, Männertreu und duftender Lavendel gehören hierher.
Link: www.jardinsuisse-tg.ch
Biodiversität – Thurgau führend
Im Vergleich zu anderen Ländern weist die Schweiz eine der längsten Listen bedrohter Arten auf – mehr als ein Drittel aller Tier- und Pflanzenarten ist gefährdet. Gründe sind unter anderem, dass Lebensräume und ihre Verbindungen durch industrielle Bewirtschaftung und Überbauung verloren gehen. Mit der Annahme der eidgenössischen Volksinitiative (Biodiversitätsinitiative) wurden Bund und Kantone in die Pflicht genommen.
Der Kanton Thurgau ist einer der ersten Kantone, der eine Strategie zur Umsetzung in den drei Hauptbereichen Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Siedlungsraum erarbeitet hat. Aktuell befindet sich das Konzept in der Vernehmlassung. Für Viktor Gschwend ist der Bereich Siedlungsraum zwar der kleinste, gleichzeitig aber auch der wichtigste, da er am meisten Menschen direkt betrifft. Hier gelte es, die Menschen noch mehr zu sensibilisieren, ihnen aufzuzeigen, wie vielfältig und wichtig die Funktionen der Natur seien. Und hier seien auch die Gärtner als Vermittler ganz speziell in der Pflicht.
zum Autor: Urs Tiefenauer ist Inhaber der Text- und Konzept-Werkstatt in Weinfelden.
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