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Digitale Transformation und Innovationen fördern

von Christian Neuweiler und Jérôme Müggler

 

Erfreulicherweise konnte sich die Thurgauer Wirtschaft gut vom Krisenjahr 2020 erholen. Jedoch trüben andere Erschwernisse die Zukunftsaussichten etwas. Um die Standortattraktivität zu steigern setzt die Industrie- und Handelskammer Thurgau zusammen mit Partnern den Digital & Innovation Campus Thurgau um.

Rückblickend hat das Jahr 2021 noch nicht das erhoffte Ende der Corona-Pandemie beziehungsweise eine wirkliche Normalisierung der Lage gebracht. Vielmehr stand das Jahr gesundheitstechnisch stark im Zeichen der Impfkampagnen, des «Wellenreitens» sowie des Covid-Zertifikats. Aus wirtschaftlicher Perspektive waren die ersten neun Monate von 2021 eine Fortsetzung des Erholungstrends, der bereits Ende 2020 sehr steil nach oben zeigte. Erst gegen Ende des Jahres hat sich das Wachstum wieder abgeschwächt, jedoch nur teilweise coronabedingt.

 

Lieferketten unter Druck

Insbesondere in der Ostschweiz und somit auch im Thurgau hat sich die Geschäftslage über die meisten Branchen hinweg gut bis sehr gut entwickelt – teilweise sogar besser als vor Ausbruch der Pandemie. Die Unternehmen blieben zuversichtlich. Zunehmende Schwierigkeiten bei den Lieferketten und steigende Einkaufspreise wirken allerdings bis 2022 dämpfend. Verschiedene Rohstoffe wie Holz, Stahl oder andere Materialien haben einen erheblichen Preiszuwachs erlebt. Weiter sind gewisse Produkte wie zum Beispiel Halbleiter nicht in genügender Menge verfügbar, was sich auf die Herstellung von elektronischen Geräten oder auch Fahrzeuge auswirkt.

 

Fachkräfte noch mehr gesucht

Im gleichen führte die konjunkturelle Erholung zu einer weiteren Entspannung am Arbeitsmarkt. Die Arbeitslosenzahlen sind in den meisten Branchen wieder gesunken. Weiter akzentuiert hat sich jedoch der Fachkräftemangel. Für gewisse Berufsbilder ist die Nachfrage nach Arbeitskräften viel grösser, als es potentielle Arbeitnehmende auf dem Markt hat. Der Effekt wurde durch eine reduzierte Zuwanderung in den vergangenen zwei Jahren verstärkt. Zudem steht die Schweiz volkswirtschaftlich, wenn nun startend die geburtenstarke Jahrgänge aus der Arbeitswelt ausscheiden, vor einer echten Herausforderung. Dieser Mangel an Arbeitskräften wird die Schweiz demographisch bedingt nicht intern kompensieren können. Dabei wird sich unweigerlich die Frage nach der Zuwanderung von ausländischen Arbeitskräften stellen, sofern man Wohlstand und Wachstum aufrechterhalten will.

 

Erosion der Bilateralen Verträge

Im Mai 2021 hat der Bundesrat die langjährigen Verhandlungen über einen institutionellen Rahmen der Bilateralen Verträge abgebrochen – dies zum Erstaunen der Gegenseite sowie auch mit Unverständnis von vielen Parteien, Verbänden und Kantonen. Nach sieben Verhandlungsjahren startet für die Schweiz die Erosion der Bilateralen Verträge. Im Mai des vergangenen Jahres ist das erste «Mutual Recognition Agreement» (MRA = Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen), das die Schweiz mit der EU hat, ausgelaufen. Davon betroffen sind die Unternehmen, die medizinaltechnische Produkte anbieten. Das hat zu Folge, dass Schweizer Produkte nicht mehr automatisch für den europäischen Binnenmarkt zugelassen sind und im EU-Raum nochmals zertifiziert werden müssen. In rund zwei Jahren wird das MRA für MEM-Industrie auslaufen, was die Wirtschaft hierzulande schmerzhaft treffen würde. Gerade die Ostschweiz mit ihren Grenzkantonen sowie zahlreichen Industriebetrieben, die Güter herstellen und diese in die EU exportieren, würde direkt davon betroffen sein.

 

Energieversorgung und Bildungslandschaft betroffen

Es scheint zuweilen, dass die politischen Parteien und gewisse Teile der Bevölkerung ausblenden, warum sich die Wirtschaft in der Schweiz in den vergangenen Jahrzehnten so positiv entwickelt hat. Vieles davon ist direkt von internationalen Handelsbeziehungen und die Anknüpfung der Schweiz an den stärksten Binnenmarkt der Welt abhängig. Die innenpolitische Blockade verhindert zurzeit eine sachliche Diskussion zugunsten des Landes. Neben den wirtschaftlichen Beziehungen zur EU sind auch die Energieversorgung sowie die Bildungslandschaft betroffen. Gerade im Hinblick auf eine sichere Versorgung von elektrischer Energie wäre die Schweiz auf ein Strommarktabkommen angewiesen, das die EU so lange verwehren will, bis die offenen institutionellen Fragen geklärt sind. Weiter wurde die Schweiz vom europäischen Forschungsprogramm «Horizon» ausgeschlossen, was die Forschenden an Schweizer Hochschulen betrifft. Darunter leiden wird die hiesige Innovationskraft, weil Neuentwicklungen nicht mehr stattfinden oder gezwungenermassen im Ausland gemacht werden müssen, um eine entsprechende Finanzierung zu erhalten.

 

Digital & Innovation Campus Thurgau wird konkret

Damit der Thurgau den Anschluss an die Entwicklungen der Zeit nicht verliert, muss er insbesondere beim Innovationspotential sowie im Umgang mit der digitalen Transformation grosse Schritte nach vorne machen. Seit Ende 2020 arbeitet die IHK Thurgau mit Partnern intensiv daran, den «Digital & Innovation Campus Thurgau» mit Hauptsitz in Kreuzlingen in eine konkrete Form zu bringen. Fünf Hauptbereiche zeichnen den Campus aus: Innovation, angewandte Forschung, Technologie, Bildung und Netzwerk. Mit einem Innovationslabor wird ein physischer Raum geschaffen, in dem kreative Köpfe und Unternehmen aus der Region neue Produkte, Dienstleistungen und Ideen andenken, ausprobieren und entwickeln können. Das Projekt ist auch im Rennen um Gelder aus den PS-Millionen der TKB und wurde im Bericht des Regierungsrats vom April 2021 Jahres als Grossprojekt zur Förderung empfohlen.

 

Grosse Chance für den Thurgau

Mit dem Thurgauer Institut für Digitale Transformation (TIDiT) bringt der Campus akademisches Fachwissen und angewandte Forschung der beiden Konstanzer Hochschulen in den Thurgau. Das TIDiT stellt bei Fragestellungen rund um digitale Technologien den Menschen in den Mittelpunkt. Dafür bieten sich für den Start drei aktuelle Themen an: vertrauenswürdige Künstliche Intelligenz, Datensicherheit und -integrität sowie Privatsphäre im Umgang mit Informationstechnologien. Diese spielen bei digitalen Lösungen für die gesamte Bevölkerung sowie für die Wirtschaft eine zentrale Rolle.

Mit dem Campus entsteht ein Leuchtturm im Kanton mit überregionaler Ausstrahlung, der spannend für die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen sein wird. Für den Thurgau besteht nun die Chance, die digitale Transformation sich so zu Nutze zu machen, das sie unseren Lebensraum und Wirtschaftsstandort für die Zukunft stärkt.

 

zu den Autoren: Christian Neuweiler ist Präsident, Jérôme Müggler Direktor der IHK Thurgau.

Der Digital & Innovation Campus Thurgau soll den Kanton attraktiver für innovative Köpfen machen und der Abwanderung von jungen Leuten entgegenwirken.

Die IHK Thurgau

Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Thurgau versteht sich als Stimme der kantonalen Wirtschaft. Sie ist eine Vereinigung von rund 650 Industrie-, Handels- und Dienstleistungsunternehmen im Kanton. Die IHK setzt sich für einen attraktiven Wirtschafts- sowie Wohnort Thurgau ein und unterstützt die Mitgliedfirmen in der Erfüllung ihrer Aufgaben als Unternehmer und Arbeitgeber.

www.ihk-thurgau.ch

 

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