Velofahren auf dem See war für viele Menschen schon immer ein Traum. Die Firma Forsa aus Diessenhofen hat diesen Traum Mitte des 20. Jahrhunderts möglich gemacht. Nur weiss dies kaum jemand. Denn die bejahrten Kult-Tretboote von Forsa sind nach wie vor präsent, wenn auch unwissentlich.
Dank den Bootsverleihern in Lugano, Locarno, Lausanne, am Zürichhorn oder auf dem Bodensee haben schon viele Touristen in ihren Ferien und in der Freizeit in einem Tretboot gesessen und die Seele baumeln lassen.
Erstes Pedalo 1947
1943 macht sich der 28-jährige Autospengler Oskar Forster (1915–1975) selbständig und beginnt mit der Herstellung von Veloanhängern, Autoaufbauten und Rucksäcken aus leicht transportier- und verarbeitbarem Aluminium im Toggenburgerhaus unweit der Diessenhofer Holzbrücke. Da die Autos wegen Benzinmangel aus dem Strassenverkehr verbannt sind, gibt es einen ansehnlichen Markt für Veloanhänger aller Art.
Aus Eigeninteresse baut Forster 1947 ein erstes Pedalo, indem er den Kettenantrieb mit Wasserschaufelrädern statt mit Speichenrädern verbindet. Damit das Gefährt im Wasser schwimmt, konstruiert und schweisst er in sich geteilte Hohlräume aus Aluminium. Je grösser die Hohlräume, desto besser der Auftrieb. Mit diesem Wasservelo erobert Forsa – so das Akronym von Forster, das zum Firmennamen wurde – in den darauffolgenden Jahren schnell die Schweizer Seen. Ein neues Freizeitvergnügen etabliert sich, sodass die Stadt Zürich 1951 ein «Reglement über die Zulassung und den Betrieb von Pedalos und Clippern im Seebecken der Stadt Zürich» erlässt.
Schaufeln vs. Schrauben
Bis 1971 produziert das Familienunternehmen in einem 1948 erstellten Gewerbebau an der äusseren Steinerstrasse in Diessenhofen rund 1200 Pedalos, von denen noch heute viele im Einsatz sind. 1967 entstanden auch Einsitzer-Minipedalos mit zwei Luftkammern, die so ausschauten, also ob man mit dem Fahrrad durch das Wasser führe. Immer wieder wurden weitere Prototypen entwickelt, um den Antrieb und die Wassergängigkeit zu verbessern. Die Wasserschaufelräder waren beispielsweise besser geeignet in Seen mit Schlingpflanzen, da die Schaufeln die im seichten Gewässer hochwachsenden Grünpflanzen niederdrückten und sich nicht im Antrieb verhedderten. Der Antrieb mit einem Schrauben- oder Propellerantrieb hingegen war in sauberen Seen besser geeignet, da mit einer höheren Tretzahl auch eine schnellere Fahrgeschwindigkeit erreicht werden konnte.
Waghalsige Alpenquerung
Die berühmteste Serie aus dem Hause Forsa ist die Clipper-Serie, die ab den frühen 1950er-Jahren mit schnittigem Rennwagendesign eine hohe Geschwindigkeit vorgaukelt, die jedoch allein mit Kraft der Beinmuskulatur zu erreichen ist. Diese Boote werden mit umgebautem Auto und Anhänger waghalsig über den Gotthard gesteuert, wie einige Fotos aus dem Familienalbum bezeugen. Die Boote wurden nicht nur in die Südschweiz transferiert, sondern bis nach Kanada exportiert, wie Verträge aus den Absatzbüchern sicherstellen.
Ebenso populär waren die Minipedalos, im Prinzip ein Fahrrad mit zwei Schwimmern. Erst vor kurzem gab es eine Anfrage aus Übersee an die Nachkommen, wo sich noch Occasionen befänden, um ein Pedalo aus den 1970er-Jahren wieder instand zu stellen. Doch die Aluminium-Tretboote sind auch hier gefragt – manch ein Gelegenheitskauf ist heute teurer als damals ein fabrikneues Produkt.
Niedergang der Firma
1971 kann Forsa aus Diessenhofen die Firma Spiboot aus Zollikofen übernehmen, weil dort das Geschäftsinhaberpaar tragisch verstarb. In Diessenhofen ist man aber nicht in der Lage, nebst den Pedalos auch das Motorbootgeschäft zur Blüte zu bringen. Die aus Zollikofen für sehr teures Geld in die Ostschweiz transportierte Tiefzugpresse für die Schiffsrumpfe kommt nie richtig in Schwung; der Personalbestand und das Betriebswissen waren zu gering, aber auch die Kluft zur finanz- und investitionskräftigen Mittelschicht auf den Mittellandseen zu gross.
Durch den plötzlichen Tod des 60-jährigen Firmengründers Oskar Forster 1975 strauchelt folglich auch die Diessenhofer Bootsmanufaktur. Als 1983 sein Sohn Heinz (*1958) die Firma übernehmen kann, sind längst andere Konkurrenten auf den Seen, die Boote aus Kunststoff kostengünstiger herstellen. Dem Nachfolger bleibt letztlich bloss noch die Herstellung von Spezialbooten aus Leichtmetall. Die Produktion der Tretboote aus Aluminium wird eingestellt, die Firma Forsa 1995 endgültig liquidiert und 1996 aus dem Handelsregister gelöscht.
Gefährt der Populärkultur
Das Pedalo als beschauliches, aber durchaus schnittig designtes Wasservehikel in Stromlinienform, je nach Typ mit sogenannter Fliegerschnauze, findet zwischen 1950 und 1970 auch Eingang in die populäre Kultur, entweder als schöne Kulisse oder als Gefährt: Heintje, Conny&Peter, Clint Eastwood, Frl. Menke…, all sie drehen Filme im oder um das Pedalo oder besingen das an Autoscooter erinnernde Fahrzeug als Ort der abenteuerlichen Ein- und Zweisamkeit. Sehr sehenswert ist der Schlager «Sag mir was du denkst» (1960) von Conny Froboess und Peter Kraus, die im Forsa-Pedalo Nr. 1 ausgiebig flirten, ebenso der Song «Tretboot in Seenot» (1983) von Frl. Menke, bei dem allerdings kein Forsa-Mobil zum Einsatz kommt.
Zudem gibt es auch neue Beispiele aus der Werbung, bei der ein Forsa-Boot einen spektakulären Auftritt hat, so von Apfelsaft (2013) oder von Ascona/ Locarno-Tourismus mit Christa Rigozzi und Gilbert Gress (2018). Alljährlich findet in Lugano der Wettbewerb «Gara di pedalò» statt, bei dem die mittlerweile nostalgischen Diessenhofer Wasservehikel um die Wette getreten werden …
zum Autor: Dr. phil. Fritz Franz Vogel, Diessenhofen, arbeitet als Kulturwissenschaftler und Fotohistoriker, Herausgeber und Kurator.
Die Publikation zum Thema
Fritz Franz Vogel: «Forsa. Vom Veloanhänger zum Pedalo. Ein Diessenhofer Unternehmen möbliert die Schweizer Seen». Die 136-seitige Broschüre präsentiert die Prototypen und die Entwicklung der noch heute gepflegten Aluminium-Pedalos. 15 Franken, plus Versand. Zu beziehen bei ffvogel@mus.ch