Von Gabriel Müller
Als am 9. Dezember 2017 eine Gruppe motivierter Männer mit Brecheisen in den Händen durch den Eingang in des Häxehüsli an der Bachstrasse in Frauenfeld ans Werk gingen, ahnte noch niemand, was genau mit dem kleinen Riegelhaus geschehen sollte …
Die Mission war klar: Demontieren des Innenausbaus des Wohnhauses aus dem Jahr 1851. Dieses musste leider am alten Ort weg, und die doch spezielle Vision war, dass das ganze Haus gerettet werden soll, um an einem neuen Ort wieder in alter Schönheit zu erstrahlen.
Drei Jahre später, am 7. Dezember 2020, ist reges Tun am Höhenweg neben der Trotte in Oberhuben. Ein Gerüst steht im Leeren und als Basis ein neu gemauerter Gewölbekeller; Holzelemente liegen auf den LKW-Pritschen und ein Kran steht bereit. Nervös und voller Vorfreude stehen die Zimmerleute parat. Heute wird ein Holzelementhaus aufgerichtet – aber ein Spezielles. Der Riegelbau vom Häxehüsli, das an der Bachstrasse stand, wird nun auf das vorbereitete Fundament gesetzt. Element um Element bekommt das wohl älteste Tiny-House mit dem speziellen Mansardendach sein neues altes Volumen.
Ein weiteres Jahr später, am 9. Dezember 2021, steht da ein stolzes Häuschen neben dem altehrwürdigen Speicher aus 1507. Das Häxehüsli ist fertig aufgebaut; ein Haus, das eigentlich primär aus Abfall besteht. Über 10’000 Bauteile wurden hier mit viel Freude und solidem Handwerk wieder verbaut. Es sieht eigentlich so aus, als wäre das Haus schon immer hier gestanden und habe schlicht mal einen neuen Anstrich bekommen.
Draussen ist der Gärtner an den letzten Arbeiten am Vorplatz, der dann noch mit wiederverwendeten Pflastersteinen verlegt wird. Sogar die Gartenbepflanzung steht aus Wiederverwendung von einem anderen Garten bereits parat!
Das Häxehüsli steht wieder
Das ockerfarbige Haus mit den sichtbar alten Fenstern und Vorfenstern, den erdiggrün gestrichenen Läden, dem lieblichen Mansardendach und den himmelwärts strebenden Blitzableiterstangen steht romantisch am naheliegenden jungen Stadtbach.
Gespannt will man die birnbaumholzige alte Haustüre öffnen, um zu sehen, wie es wohl im Innern aussieht. Dem Besucher öffnet sich hinter der Türe ein stimmiger Raum mit einem antiken Tonplattenboden, der aufgehend mit Riegelwänden und der Sichtbalkendecke gefasst ist. Will man runter in den Gewölbekeller, oder lieber gleich in die Stube?
Es riecht nach Ölfarbe und Wachsen – mit diesem Geruch im Sinn öffnet man gespannt die alte Stubentüre. Im kleinen, hellen Raum mit dem Tafelparkett und den farbigen Wandtäfelungen fasziniert neben dem Ofen die schlichte Deckenbemalung.
Von der Stube führt die alte, steile Treppe hoch ins Mansardenzimmer mit dem sichtbaren Dachstuhl aus 1851. Dort, im Himmel des Häxehüslis, ist ein weiterer, stimmiger Raum. Man berührt das alte Holz und sinniert über die bewegte Geschichte des Häuschens …
Dann, in den Gewölbekeller hinuntergestiegen, wo eine Kochgelegenheit und eine Nasszelle eingerichtet sind, würde man am liebsten den Holzherd gleich einfeuern – sodann wären im Haus alle Sinne angeregt.
Handwerk mit Freude und Liebe zum Detail
Kaum zu glauben, was hier für Handwerk mit welcher Freude und Liebe zum Detail umgesetzt wurde. Wie viele Hände hier wohl mitgewirkt haben, um dieses Haus so wieder herzustellen? All die Stunden, in denen alte Bauteile sortiert, gereinigt, entnagelt und mit grosser Wertschätzung wieder zu einem stimmigen Ganzen zusammengefügt wurden!
Viele Stunden aus Freude am Objekt, an der Idee der Rettung und dem Wissen um das nachhaltige Tun sind geleistet worden. Dies kombiniert mit vielen Eigenleistungen, finanziellen Mitteln von Gönnern und Häxehüsli-Freundinnen und -Freunden, aber auch ein Batzen aus dem Jubiläumsfond der TKB haben dieses stimmige Riegelhaus möglich gemacht.
Es ist ein Wink mit dem Zaunpfahl, dass doch nicht immer alles einfach gedankenlos abgerissen und entsorgt werden muss, dass so vieles Baumaterial eigentlich wieder verwendet werden kann. Dieser Gedanke, kombiniert mit dem Spirit, mal etwas Spezielles in einem guten Team gemeinsam zu bewirken, waren die Beweggründe dieses Projekts.
Neue Nutzung an einem stimmigen Ort
Ja, nun steht es wieder, das Häxehüsli. Genau 170 Jahre seit dem Aufrichten an der Bachstrasse erlebt es eine neue Nutzung an einem stimmigen Ort in Oberhuben. Es kann nun temporär als Klause, als Ort, um einfach mal zu sein, um zu träumen, denken, zurücklehnen oder auch als Rückzugort um ein Buch zu schreiben genutzt werden.
In der Stube am warmen Kachelofen stehend den Blick entspannt in dem winterlichen Garten schweifen zu lassen oder im Sommer auf dem Sitzplatz auf das stolze Haus zu schauen – wenn das erzählen könnte!
Ein herzlicher Dank an alle
Ich danke all den fleissigen Händen, die mitgewirkt haben, dass dieses Projekt der Rettung überhaupt möglich war. Danke den beteiligten Unternehmern, die mit ihrem handwerklichen Können gezeigt haben, was Handwerk auch heute noch ist und kann – und für das Mittragen dieser doch speziellen Aufgabe durch ihr finanzielles Entgegenkommen. Danke für die spontanen, mentalen und finanziellen Unterstützungen, ohne die dieses Projekt gar nicht möglich gewesen wäre. Danke auch den geduldigen Nachbarn und dem Bauamt der Stadt Frauenfeld für die speditive Bewilligung für den Wiederaufbau am neuen Ort. Danke ebenso all den spontanen Besucherinnen und Besuchern der Baustelle, die die Arbeiten interessiert mitverfolgt und mit Wohlwollen kommentiert haben.
Jetzt geht es ans Einrichten, und schon bald dürfen die ersten Nutzerinnen und Nutzer sich erfreuen, um als Gast darin vielleicht eine etwas andere Welt am Stadtrand von Frauenfeld zu erleben.
Kontakt:
Gabriel Müller
Häxehüsli bei der Trotte/Speicher Huben
Höhenweg 4, 8500 Frauenfeld
g.mueller@gabriel-mueller.ch